Wolfsblut in der Lüneburger Heide – die Geschichte von Fee

 

Sicher haben einige von Ihnen in den Medien vom “streunenden Wolf in der Lüneburger Heide” gehört. Ein “Husky-Wolf”, wie das Tier gern betitelt wurde, ein Hybride, eine Mischung aus Husky und Wolf. Sie heißt Fee. Fee ist geschätzte sieben Jahre als und lebt nun bei uns in Wulfstorf. Doch beginnen wir einfach damit, wie alles bei uns begann. Christian Günther von der Nothilfe Polarhunde Nord berichtet:

Ifee_001n der Nacht zum Samstag, den 19.04. erhielt ich eine eMail von Heino Krannich, der einen Tierparkservice betreibt und sich für seine schonenden Narkosen einen Namen gemacht hat. Einigen unserer Leser ist dieser Name sicher ein Begriff, hat Herr Krannich doch im März den entlaufenen Wolfsrüden aus Osnabrück wieder eingefangen. Außerdem bietet er geschundenen Wildtieren eine Zuflucht. Es lohnt sich, nach diesem Namen einmal zu googeln, bieten die Suchergebnisse doch Lesestoff für einen ganzen Nachmittag. Einerlei, es traf also des Nachts eine Mail ein, deren Inhalt kurz und knapp gehalten war: Krannich hatte den “Husky-Wolf” eingefangen und suchte nun dringend nach einer Unterbringung. Etwas aufgeregt wurde die Mail umgehend an die Mitstreiter weiter geleitet… mit dem Ergebnis, dass gleich am frühen Morgen das Telefon klingelte und Heike Otter sprach: “Christian, was machen wir, aufnehmen?” Natürlich aufnehmen, also wurde Heino Krannich telefonisch informiert und gegen Mittag rollte sein großer Geländewagen unsere Auffahrt hoch, mit dem “Husky-Wolf” Fee im Gepäck.

fee_002Nachdem meine eigenen Hunde Herrn Krannich, dessen Auto und Fee in der Box eingehend untersucht hatten, beschlossen wir, Fee (die noch in der Transportbox lag) in den großen, eingezäunten Freilauf zu bringen, wo wir dann die Tür der Box öffneten. Ganz vorsichtig und auf wackeligen Beinen kroch Fee aus der Box heraus, verängstigt und scheu wankte sie über die Wiese. Für meine Hunde schien sie sich nicht zu interessieren. Überhaupt schien sie nichts zu interessieren, die Narkose war noch nicht gänzlich abgeklungen und Fee begab sich erst einmal zum Wassernapf. Sobald man versuchte, sich ihr zu nähern, nahm sie reissaus, suchte das Weite. Während Heino und ich mehrere Becher dampfenden Kaffees in der Mittagssonne genossen, um unsere Gedanken zu sortieren, ging Fee geduckt in den Wintergarten, um sich dann auf dem dort stehenden Hundesofa nieder zu lassen. Ein kleines Häufchen Elend, völlig durch den Wind, noch verschmiert von dem Blut der Wunde, die durch den Betäubungspfeil entstanden war. Nach einigen Minuten war Fee vor Erschöpfung eingeschlafen. Die Vorgeschichte von Fee war schnell erzählt: Als einer von vielen Hunden lebte Fee vier Jahre bei einer Besitzerin im eingezäunten Garten. Als diese Besitzerin sich von den Tieren trennen musste, wurde Fee an eine alte Dame weiter gegeben, wo sie dann kurze Zeit später entwischt ist. Seit diesem Tag streunte Fee durch die Wälder und mied jeden menschlichen Kontakt, bis Heino und sein Labrador Watson ihre Spur aufnahmen, sie anfütterten und schließlich mit einem gezielten Betäubungsschuss außer Gefecht setzten.

fee_003Den ersten Tag verbrachte Fee damit, sich ein wenig auszuruhen. Dabei war sie jedoch stets auf der Hut: Sobald sie eine Bewegung oder ein Geräusch wahrnahm, trat sie die Flucht an. Und doch sah man in ihren Augen einen Funken Interesse, sich dem Menschen, der nun schon seit Stunden immer in ihrer Nähe war, etwas genauer anzuschauen. Das herrliche Wetter erleichterte die die Kontaktaufnahme erheblich, konnte man sich doch ruhig und gelassen mit einem Buch oder dem Notebook an den Tisch im Freilauf setzen. Anfänglich aus der Distanz beobachtete Fee genau, was da passiert… es passierte nichts. Für Fee eine Einladung, ihre Kreise langsam etwas enger um diesen komischen Menschen zu ziehen, der da am Tisch saß und seltsame Sachen machte. Die anderen Vierbeiner hatten keine Scheu, also konnte man sich die Angelegenheit auch mal aus der Nähe anschauen. Vorsichtig begann Fee damit, an den Schuhen, den Hosenbeinen und der herabhängenden Hand zu schnuppern. Noch immer geschah nichts Schlimmes, also nahm Fee das als Aufforderung an, sich in etwa zwei Meter Entfernung ins Gras zu legen und etwas zu entspannen. Natürlich sprang sie jedes Mal auf, wenn sie eine Bewegung sah, doch dann legte sie sich auch gleich wieder und beobachtete weiter. Immer wieder kam sie an, ließ zufällige Berührungen zu, interessierte sich für das, was geschah (oder besser was nicht geschah). Und schon am Sonntag war ein kleiner Durchbruch zu verzeichnen: Fee kam angelaufen, schnüffelte an meiner Hand und drückte plötzlich ganz fest ihren Kopf in die offene Handfläche. Ein Moment, in dem einem das Herz aufgeht. Jetzt ging es steil bergauf. Natürlich war Fee noch immer skeptisch und vorsichtig, auch einen Fluchtweg taxierte sie bei jeder Kontaktaufnahme aus, doch sie ließ sich streicheln. Wenn ich mich auf das Sofa im Wintergarten setzte, kam Fee hinein und beobachtete mich… bis sie all ihren Mut zusammen nahm und langsam den Platz neben mir erklomm, mich dabei prüfend ansah und sich schließlich auf dem Sofa zusammen rollte, während ich neben ihr saß. Jeder Tag, ja jede Stunde, die ich zusammen mit ihr verbrachte, war von Fortschritten geprägt. Und das, obwohl Fee besonders vor Männern panische Angst zu haben schien, auf Frauen ging sie nämlich grundsätzlich offener zu.

Etwas unterschätzt haben wir sicher den Medienrummel, der mit der Aufnahme von Fee einher ging. Neben den Zeitungsberichten kam auch das NDR-Radio für ein Interview vorbei, um sich nach dem Werdegang von Fee zu erkundigen und wir haben uns sehr gefreut, über die Fortschritte des Tieres berichten zu können. Ein besonders schöner Termin, auch für Fee, war der Besuch von Angela Kraft, einer Fotografin, die sich auf Tierfotografie spezialisiert hat und die eine eigene Agentur in der Lüneburger Heide besitzt. Sie berichtet und fotografiert für diverse Zeitschriften, ist beim Wildpark Lüneburger Heide Pressesprecherin und für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig und besitzt die Fähigkeit, sich sehr einfühlsam in das zu fotografierende Tier hinein zu versetzen. Fee war von Angela derart begeistert, dass das Fotografieren vor lauter Streicheleinheiten und Bewunderung über die großen Fortschritte von Fee fast ins Hintertreffen geriet. Heino, der an diesem Tag ebenfalls bei uns war, konnte kaum glauben, wie Fee sich zwischenzeitlich entwickelt hat. Nun steht uns noch ein Termin mit dem NDR-Fernsehen ins Haus: Der NDR möchte einen kurzen Bericht über Fee drehen und wird am 1.Mai mit seinem Kamerateam hier anrollen.

fee_004Nach nun einer Woche lebt Fee inzwischen ganz normal mit in der Wohnung. Noch immer reagiert sie mitunter etwas schreckhaft, wenn zum Beispiel etwas knallt oder herunter fällt, doch sie lernt unheimlich schnell und hat begriffen, dass ihr keinerlei Gefahr droht. Fernsehen und Musikhören sind ebenso zum Alltag geworden wie die mehrmaligen Spaziergänge, die Fee inzwischen auch unheimlich genießen kann. Streicheleinheiten findet sie toll und hat man kurz die Wohnung verlassen und kehrt wieder heim, wird man von einer schwanzwedelnden, fröhlichen Fee begrüßt, die in diesen Momenten ihre Scheu vollkommen verloren hat. Wie es genau weiter geht, werden die nächsten Wochen ergeben. Fee hat ein paar sehr schlechte Zähne, die einer Sanierung bedürfen, doch ehe sie sich nicht noch mehr gefestigt hat, werden wir ihr den Tierarztbesuch ersparen und weiter das Vertrauen stärken. Auch wissen wir noch nicht, wann Fee soweit sein wird, dass wir sie in die Vermittlung nehmen können. Fest steht nur, dass diese ganz besondere Hündin (von der wir nicht genau wissen, welche Rassen sich hier verewigt haben, vermutlich ist sie ein Saarlos Wolfshund Mix) auch ein ganz besonderes Zuhause braucht. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

Für uns alle war dies eine Woche, die von Fortschritten und neuen Erfahrungen geprägt war. Eine Woche, die sich (zumindest für mich) vom üblichen Alltags-Geschehen abgehoben hat.

Vielen Dank für Ihr Interesse und viele Grüße aus Wulfstorf

Ihre Polarhunde und Mitarbeiter der Nothilfe Polarhunde Nord e.V.
www.nothilfe-polarhunde.com